
Mein Tag begann um 08:30 Uhr nachdem meine Blase dem wachsenden Druck des San Miguel nicht mehr gewachsen zu sein schien. Für eine Nacht unter freiem Himmel hatten wir doch recht lange geschlafen. An eine Abreise aus Pamplona wie geplant um neun Uhr war nun natürlich nicht mehr zu denken. Das störte uns jedoch nicht, denn schließlich waren wir zum Pilgern hier und nicht auf der Flucht. Unsere Vorräte an Würstchen und Senf waren noch nicht erschöpft und somit konnten wir mit einem Frühstück an unserem Schlafplatz (siehe Foto) beginnen. Auch vier Bier hatten die Nacht unbeschadet überstanden und fanden, zu unserer Freude, ihren Platz in unserem viel zu kleinen Pilgerrucksack. Wir machten uns nun auf die Suche nach unserer Mietwagenrückgabestation. Diese hatte natürlich, entgegen der Ankündigung im Internet, geschlossen. Da sie sich jedoch glücklicherweise in einem Hotel befand versicherte uns die Dame an der Rezeption, dass es überhaupt kein Problem sei ihr den Schlüssel zu geben, wenn wir ihr sagen würden wo das Auto steht. Wir taten dies zögerlich, da wir nicht wirklich eine andere Wahl hatten. Wir hofften natürlich die Dame würde das Auto morgen wieder im selben Zustand in Hotelnähe abstellen, sollte sie heute damit nach Hause fahren wollen.
Nun besaßen wir nur noch unsere Räder, unsere Rucksäcke und vier Bier. Um nun tatsächlich gen Santiago pilgern zu können fehlte uns noch der Pilgerausweis. Wir begaben uns also auf die Suche nach diesem wertvollen Stück Papier.
Wir fragten alle möglichen Pilger, diese sehen zwar in Pamplona noch sehr frisch aus, sind allerdings an ihren riesengroßen Rucksäcken, einer Jakobsmuschel und oftmals auch an ihren Wanderstöcken zuerkennen. Wir fragten Franzosen, Belgier und Deutsche. Doch alle waren bereits in Frankreich gestartet und hatten somit schon Ihren Ausweis erhalten. Nach eineinhalb Stunden umherirren fanden wir ein Touristenbüro. Dort sagte man uns das wir nur fünfmal rechts dann geradeaus und 17mal links fahren, uns letztendlich zweimal im Kreis drehen müssten und dann an einer Großen Holztür klopfen sollen. Nachdem wir nun auf mehr oder weniger direktem Weg zu dieser Holztür gelangten, stellte sich heraus, dass selbige das Haus des Erzbischofs sicherte. Klopfen brauchten wir nicht da die Tür geöffnet war und in Ihr ein sehr freundlicher Mann stand, welcher uns nach unserem Anliegen fragte. Er sah zwar nicht aus wie der Erzbischof aus, konnte uns allerdings sofort weiterhelfen. Nach fünf Minuten und einer kleinen Spende für die Kirche oder die Pilger oder sonst irgendwen hatten wir unsere Credencial in der Hand. Nun waren wir echte Peregrinos. Wir fragten noch nach einer Jakobsmuschel, fanden dann aber keine und beschlossen uns erst einmal ohne auf „den Weg“ zu machen.
Es war inzwischen nach zwölf und schon wieder waren unsere Pilgermägen hungrig. Also mussten wir im Stadtpark noch eine kleine Rast einlegen. Bei der Gelegenheit konnten wir sogleich das wahnsinnige Gewicht unseres Rucksacks etwas verringern indem wir die ersten zwei der vier verbliebenen Bier tranken. Nun waren wir gestärkt und zufrieden und konnten endlich mit unserer Pilgerei beginnen. Den Camino de Santiago frances (so heißt er, weil er in Frankreich beginnt - genauer in Saint-Jean-Pied-de-Port) zu finden ist nicht schwer. Ihn zu verlieren dürfte sich als viel schwieriger erweisen. Noch nie habe ich einen so gut ausgeschilderten Wanderweg gesehen. Vielleicht bin ich da auch kein Maßstab, da ich ja überhaupt noch keinen Wanderweg gesehen habe, aber ich möchte behaupten, dass dies der am besten markierte Wanderweg der Welt ist. Quer durch die Stadt ging es also raus aus Pamplona und neben der Landstraße nach Cizur Menor. Das Rad rollte und wir dachten sollte das so bleiben sind wir übermorgen da. Doch bereits kurz nach Cizur Menor ging es auf einem kleinen Feldweg langsam bergauf. Die zehn bis dreißig Kilo auf dem Rücken begannen gegen uns zu arbeiten. Ebenso der unglaubliche Gegenwind der in Böen vermutlich Orkanstärke ereichte. Immer wieder mussten wir Pausen einlegen. René war währenddessen damit beschäftigt mit wilden Übungen seine Rückenmuskulatur zu kräftigen. Ich hielt dies aufgrund der Tatsache bereits unterwegs zu sein für wenig aussichtsreich und tat nichts der gleichen. Ich nutzte die Pausen um mich zu sonnen und meine zwei Liter Wasser, welche ich ebenfalls auf dem Rücken hatte, zu trinken. Der Po schmerzte noch nicht sonderlich und das Gelände war relativ leicht zu fahren. Wir sahen den Berg deutlich vor uns. Er war nicht sonderlich hoch. Lediglich 300 Höhenmeter sollte es geben, doch mit dem Gewicht auf dem Rücken war es schon nicht leicht. Irgendwann überquerten wir eine Straße. Es wurde auf Schildern darauf hingewiesen das Radfahrer diese benutzen sollten. Wir meinten jedoch ein echter Pilger fährt den Wanderweg. Ging doch bis jetzt auch ganz gut. Oben auf dem Alto del Perdon angekommen genossen wir die Aussicht zum einen auf Pamplona und zum anderen auf die Navarra. Die erste der vielen Regionen Spaniens durch die uns der Camino führen sollte. Auf dem Plateau stand eine neumodische und weithin sichtbare Skulptur, welche eine Pilgergruppe zeigte.
Man verlässt das Plateau durch ein kleines Holztürchen und dann wird einem sofort bewusst warum Radfahrer die andere Route benutzen sollten. Da wo vorher ein Weg war, war nun nur noch Geröll. Lose Steine, große Brocken, spitze und stumpfe. Es ist von allem etwas dabei, aber als Weg ist das nicht zu bezeichnen. Unsere Helme, das kann man eigentlich gar keinem Erzählen, sind aus terminlichen Gründen für die Dauer unserer Pilgerei in Barcelona zurückgeblieben. Ein Umstand der die Abfahrt vom Alto nun nicht gerade attraktiver machte. Doch was soll man machen, Santiago ist noch weit und man will ja auch vorankommen. Also den Arsch hinter den Sattel und ab ging es. An ungläubig dreinschauenden Fußpilgern vorbei, es krachte und schepperte. Ich hoffte mit den durch mich seitlich weggeschleuderten Steinen keine Pilger ernsthaft zu verletzen und sollte doch jemand zu schaden gekommen sein, so möchte ich mich hiermit dafür entschuldigen. Mit dem nötigen Respekt und einer Portion Konzentration kamen wir heil unten an. Mir schmerzten die Hände, aufgrund der ständigen Erschütterungen aber im Grunde hat es Spaß gemacht. Dann ging es recht leicht weiter bis nach Puente la Reina. Es war sehr heiß und somit war klar das auf die kurze Besichtigung der mittelalterlichen Brücke (Puente la Reina – Brücke der Königin) ein kleines Erfrischungsgetränk folgen sollte. Aus einem wurden auch sehr bald zwei, man hat das „geperlt“. Über sehr schwieriges, aber für Wanderer nicht unattraktives Gelände ging es weiter. Wir kamen an einer weiteren mittelalterlichen Brücke vorbei, welche den Rio Salado (der salzige Fluss) überspannt. Wieder gaben wir unseren Körpern eine kurze Gelegenheit zur Regeneration. Es war bereits später Nachmittag geworden und somit mussten wir uns beeilen, wenn wir noch ein Stück vorankommen wollten. Es folgte das mit Abstand härteste Stück der Etappe. Es ging stellenweise senkrecht nach oben. Nicht jeder Meter konnte gefahren werden, jedoch stellten die Abschnitte in denen wir unsere Räder schieben mussten die Ausnahme dar.
Gegen 19:00Uhr und sichtlich erschöpft erreichten wir Estella. Dieses kleine mittelalterliche Städtchen, dessen Blütezeit wohl ein, zwei Jahre zurückliegt, sollte den Schlusspunkt unserer ersten Etappe markieren. Wir kamen in einer städtischen Herberge am Ortsausgang unter. Die Herberge, welche mit Squash Courts und einem Fußballfeld ausgestattet war, machte einen sehr ordentlichen und modernen Eindruck. Nachdem wir geduscht, unsere Sachen gewaschen und zum Trocknen im Freien aufgehängt hatten, begaben wir uns auf die Suche nach etwas Essbarem. Das Speiseangebot der Herberge entsprach unseren Vorstellungen eher weniger und somit kehrten wir in einer kleinen Bar ein. Wir bestellten zwei kühle Cervezas sowie die Platas Combinados (Salat, Pommes, Kroketten und Schinken, Käse frittiert). Der Lärm, den die einheimische Bevölkerung in der Bar machte, war so unglaublich, dass wir uns beeilten und das zweite Bier schon im stehen tranken. Müde von der Reise kehrten wir schließlich in unsere Großherberge zurück und begaben uns direkt ins Bett.
Wir haben an unserem ersten Tag lediglich 57,9km zurückgelegt, was jedoch aufgrund der Geländeverhältnisse und bedingt durch die sehr späte Abreise aus Pamplona nicht wirklich wenig war. Die nächsten Tage sollten also noch härter werden da man die Abweichung vom Tagessoll natürlich versuchen musste auszugleichen.
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