Freitag, 2. März 2007

Siegerehrung


Ich habe natürlich nicht vergessen die GewinerInnen des vergangenen Gewinnspiels bekanntzugeben, jedoch hab ich als vielbeschäftigter Praktikant nicht immer die Zeit mich um diese Dinge zu kümmern. Manchmal komm ich tagelang nicht zum surfen, weil ich weggeworfene Zigaretten aus Gleisbetten sammeln, Graffiti mithilfe einer Zahnbürste von S-Bahn Zügen entfernen oder hunderte Kilometer Fahrdraht von Vogelkacke befreien muss. Das muss ja schließlich alles gemacht werden und die Ingenieure haben dazu nicht die Zeit. Also lange Rede kurzer Sinn, das ist ´ne Aushilfstätigkeit! Und wenn man nicht zu Ende studiert ist man Ratz Fatz weg vom Fenster und dann muss man zusehen wie man klarkommt. Zum Glück werden zur Reinigung der Oberleitung immer Leute gesucht. Das ist zwar nicht ungefährlich, jedoch ist der Verdienst sehr gut und man kommt viel rum. Gestern zum Beispiel hab ich Nürnberg-München gesäubert. Das ging sehr schnell. Ich bin zweimal drüber gegangen und das hat etwas mehr als zwei Stunden gedauert. Allerdings ist bei den neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken immer der Verschleiß an Putztüchern sehr groß und man muss mit den Fliegen höllig aufpassen.

Ich glaube ich hab euch noch gar nicht erklärt wie so etwas gemacht wird.

Das Reinigen der Fahrdrähte sollte einmal im Monat angegangen werden, um einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten. Die Bahn verfügt über ein Streckennetz von 34.000km Länge. Die Geographen unter euch wissen zwar, dass man den Superlativ „dreimal um den Äquator“ damit bei weitem nicht erreicht, aber rund 80% einer Umrundung könnte man schon zurücklegen. Obwohl nun von den 34.000km Gleisen nicht alle mit Fahrdrähten versehen sind, glaube ich, dass man eine Vorstellung für die Dimensionen bekommt. Doch nun zum eigentlichen Vorgang des Reinigens der Oberleitungen.

Ihr könnt euch das in etwa wie S-Bahn surfen vorstellen. Der Unterschied besteht allerdings darin, dass man sich nicht todesmutig in das Regellichtraumprofil des Gegenverkehrs zu lehnen versucht, sondern ganz entspannt auf dem Dach des Zuges in Stellung geht. Auf jedem Wagendach sind zwei Riemen angebracht, welche über Klettverschlüsse in der Weite angepasst werden können. Dort steigt man mit den Schuhen rein und zieht die Riemen fest. Natürlich werden hier von der Unfallkasse Arbeitsschutzschuhe mit Stahlkappe gefordert, welche auch noch Benzin, Säure und Ölbeständig sind. Die Sohle muss rutschfest sein und die Farbe sollte sich deutlich von der der Lok abheben. Meine sind mint-grün. Das hab ich mir so nicht ausgesucht, ich hätte lieber gelbe genommen, aber die waren in meiner Größe nicht mehr vorrätig. Nachdem man nun also mit den Schuhen in die Riemen, welche im Übrigen auf einer 100mm starken Gummischicht angebracht sind, geschlüpft ist, setzt man sich eine Lederkappe mit großem DB Logo auf. Die Schutzbrille, welche auch mit Sehstärke erhältlich ist, legt man ebenfalls an - auch diese kann mittels Klettverschluss an den jeweiligen Kopfumfang angepasst werden. Nicht vergessen sollte man die Sicherheitsleine. Diese mit dem Gürtel verbundene Leine wird mittels gordischem Knoten mit dem Fahrzeugdach verbunden und soll bei Versagen der Riemen einen ungewollten Stellenabbau verhindern. So nun sind alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Man gibt der Zugbegleiterin bzw. dem Zugbegleiter das Signal. Hierzu muss mit einem der grünen Putztücher gewedelt werden bis die ZugbegleiterIn davon Kenntnis genommen hat. Die wiederum gibt durch ein lautes Pfeifen dem Lokführer zu verstehen, dass die Sicherheitsleine angelegt, die Brille aufgesetzt, die Schuhe mit dem Dach verbunden sind und somit der Abfahrt nichts mehr im Wege steht. Es kommt hin und wieder vor, dass sich beim Schichtwechsel der gordische Knoten nicht öffnen lässt oder man die Riemen nicht richtig fest bekommt und dann können schon mal Verspätungen entstehen. Die Regel ist dies allerdings nicht. Nachdem sich nun also der Zug in Bewegung gesetzt hat, nimmt man sich eines der speziell für das putzen bei hohen Geschwindigkeiten entwickelten Tücher. Man umschließt den Fahrdraht mit beiden Händen und natürlich dem Tuch und muss nun nichts weiter machen als zu warten bis man ein leichtes Brennen der Hände verspürt, denn dann ist es Zeit das Tuch neu zu falten oder gegebenenfalls gegen ein frisches auszutauschen. Die einzige Schwierigkeit besteht darin den Aufhängungen des Fahrdrahtes auszuweichen. Diese haben einen Abstand von 30m bis 50m und es tut höllig weh, wenn man mit Tempo 300 dagegen kracht. Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe warum man diese Tätigkeit nicht bis ins hohe Alter ausführen kann. Die Reaktionsgeschwindigkeit verhält sich dummerweise umgekehrt proportional zum Alter.

So ich werd dann mal wieder. Hab heute Nachtschicht. Einmal Frankfurt-Hamburg und zurück. Bis später. Ich hoffe, dass ich euch wieder eine der unzähligen Tätigkeiten im Eisenbahnsektor näherbringen konnte.

Ach und zu guter letzt noch die Gewinnbekanntgabe. Den Hauptpreis hat M.Ohli gewonnen. Danke für deine Teilnahme und was du gewonnen hast habe ich Dir ja telefonisch bekannt gegeben.

Trostpreise erhalten diesmal alle weiteren Teilnehmer. Es handelt sich hierbei um einen Katalog mit den Fahrzeugen des Nahverkehrs im pdf- Format. Viel Spaß damit.

Bis demnächst und liebe Grüße. Pedro de la Bahna.

2 Kommentare:

  1. Hiermit möchte ich mich zu tiefst für diese Ehrung bedanken und freu mich schon auf den Preis und bete jeden Tag es möge endlich wärmer werden :-)
    Am Rande sei noch erwähnt, dass du so langsam den Konsum der morgentlichen Partydroge einstellen solltest, dann steigt auch die Reaktionsgeschwindigkeit exponentiell wieder an und vielleicht wirst du mal befördert und darfst dann auch mal die Fahrdrähte des TGVs säubern, der ja bekanntlich mit 553 km/h durch die Botanik brettert....
    Wohl nicht ganz so schnell wie die deutsche Post.. deine Karte kam erst heut an, gefreut hab ich mich aber trotzdem sehr!
    In diesem Sinne... Füße festschnallen...

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  2. Hallo lieber Martin,

    vielen Dank für deinen interessanten Einblick in die atemberaubenden Aufgaben eines Reichsbahnfahrdrahtputzers. Mit Spannung habe ich Deine Zeilen verschlungen.
    In all Deiner fachlichen Tiefgründigkeit, hast Du allerdings einige Details nur am Rande erwähnt, die für Dich als Fachmann nicht der Rede seien mögen, die aber für uns, das Volk…von außerordentlichem Interesse sind. In diesem Sinne erlaube ich mir auf einige von Dir erwähnte Fakten kurz näher einzugehen.
    Der Ausdruck Gordischer Knoten bezeichnet kunstvoll verknotete Seile, die am Streitwagen des Königs Gordios von Phrygien aus der griechischen Antike durch die Götter befestigt waren. Sie sollten die Deichsel des dem Zeus geweihten Wagens untrennbar mit dem Zugjoch verbinden. Heute meint die Redewendung von der Lösung des gordischen Knotens die Lösung eines Problems, das als überaus schwer gegolten hat, mit „einfachen“ Mitteln.
    Um die von Dir erwähnten Zahlen ein wenig zu verdeutlichen habe ich mir die Mühe gemacht die Dimensionen der von Dir erwähnten Bezifferungen auf einen Nenner zu bringen, um die von Dir und Deinem Berufsstand zu erbringenden Leistungen transparenter zu machen. Ich habe noch mal recherchiert und dabei festgestellt, dass die Bahn angibt, mit dem InterCityExpress, kurz ICE (Aussprache deutsch: [i:tse:’e:]) aus wirtschaftlichen Gründen nur noch mit 250 km/h unterwegs zu sein.
    Allerdings ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt, so dass wir die Geschwindigkeit der Züge einfach mal mit mindestens 80m/s (entspricht etwa 288 km/h) annehmen.
    Das wiederum verdeutlicht, dass Du und Deine Kollegen nur etwa 0,5s Zeit haben um den Zwischenraum zwischen zwei Drahtaufhängungen zu reinigen. Die Aufhängung der Drähte an sich ist nur etwa 0,1m breit. Die Zeitspanne für das Absetzen des Lappens beträgt demnach nur etwa 0,00125s. In dieser Zeit wird das Tuch entweder gewechselt, oder aber ausgeschüttelt, gewendet und neu zusammengelegt. Unvorstellbar. Die Strecke Nürnberg-München beträgt 171km, das heißt 171000m. Bei Annahme des mittleren Aufhängungsabstandes von 40m ergeben sich demnach 4275 Lappenabsetzer.
    Ich hoffe ich habe richtig gerechnet und konnte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass diese Aufgabe mehr Würdigung erfährt.

    Bis die Tage.
    Grüße aus DD
    der Markus

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