Donnerstag, 15. Februar 2007

noch eine kurze Kurzgeschichte


Ein Phänomen des Pendleralltags dessen Sinn und Zweck sich mir völlig entzieht, ist jeden Morgen an der S-Bahn Station zu beobachten. Im Folgenden werde ich versuchen dies zu beschreiben.

Nachdem ich unter Hochdruck die Dusche und mit ihr das halbe Bad unter Wasser gesetzt habe. Das Hemd, welches ich am Vortag aufgrund von plötzlich einsetzender Faulheit nicht mehr bügeln konnte, schnellstmöglich seiner Falten befreit habe. Mir meine zwei Brötchen, mit den sich ständig abwechselnden Köstlichkeiten Käse und Schinken, belegt und in ca. sieben Meter Alufolie gewickelt habe. - Wirklich Wahnsinn was für einen Platz ein in sieben Meter Alufolie gewickeltes Käsebrötchen, doch auf einmal im Rucksack für sich beansprucht. Ich nehme jeden Tag zwei davon mit auf Arbeit zuzüglich einer Flasche Bad Vilbeler Ur-Quelle. - Nachdem ich mir zusätzlich, mit einer großen Tasse heißem Tee, die Speiseröhre gegen jegliche Art von schlechten Geschmäckern unempfindlich gemacht habe - die guten Geschmäcker sind von dieser morgendlichen Automutilation leider genauso betroffen. Nachdem ich also meinem Morgen denselben Charakter wie all den vorangegangenen verliehen habe, setze ich mich pünktlich, mit ca. 4 Minuten Verspätung, in Richtung S-Bahn Haltestelle in Bewegung. Manchmal gönne ich mir auf dem Weg eine Zigarette, welche ich dann auch umgehend bereue. Man sollte eine Zigarette am Morgen nämlich in räumlicher Nähe zu einer Toilette genießen. Ich bewege mich also mehr oder weniger im Laufschritt sowie besagter Zigarette in der Hand, sie zum Mund zu führen fällt mir bei dem Tempo gar nicht ein, in Richtung S-Bahn Haltestelle. Den Weg, welcher jeden Morgen derselbe ist, habe ich hinsichtlich der zu erwartenden Laufzeit optimiert - Laufzeit minimal 8,5 Minuten, Laufzeit maximal 8,5 Minuten. Obwohl ich mir zwar ziemlich sicher bin, schaue jedoch jeden Tag aufs Neue ob ich auch wirklich fünf Minuten nach Aufbruch, den Schlecker und die Volksbank passiere. Jetzt ist es nicht mehr weit und es geht nur noch schnur geradeaus. Sollte die Bahn heute früher kommen, um nicht zu sagen pünktlich, würde ich sie wenigstens noch sehen können bevor ich Sie verpasse. Doch wie immer passiert gar nichts. Ich erreiche den Bahnhof und von der Bahn ist nichts zu sehen. Stattdessen sehe ich die Menschen, die auch schon gestern und vorgestern und letzte Woche Freitag hier gestanden haben. Kurz gesagt wir von der 56er Bahn treffen uns jeden Morgen hier am Bahnsteig. Wir gehen jeden Morgen am selben Strauch, Geländer, Abfallbehälter oder Wartehäuschen in Stellung. Wir alle haben nur ein Ziel, einen Sitzplatz in der S-Bahn Richtung Frankfurt. Es gibt mehrere Gründe warum ich genau an dem Ort stehe wo ich stehe. Da ich noch nicht lange Pendler in Okarben bin und es mir nur selten möglich ist, eine viertel Stunde vor der planmäßigen Abfahrt am Bahnsteig zu erscheinen, sind viele Plätze bereits vergeben. Hinzu kommt, dass sowohl am Anfang, als auch am Ende eines Wagens Klappsitze sind und die Wahrscheinlichkeit immer sehr groß ist dort einen Sitzplatz zu ergattern. Ein weiterer Grund für meinen Standplatz, zwischen Brücke und Stromverteilerkasten, ist der Ort an dem ich im Frankfurter Hauptbahnhof aus der Bahn steige. Der Zug hält genau an einer Rolltreppe, welche ich sowieso benutzen muss, warum sollte ich also woanders einsteigen. Ich stehe also dort wo ich jeden morgen stehe und dann nehmen die Dinge auch schon Ihren Lauf. Es wird nicht mehr lange dauern bis der Zug eintrifft und je nach Verspätung sind die Leute entspannt, oder man sieht schon kleine Anzeichen von Unzufriedenheit in Ihren Gesichtern. Dann ist es so weit, am Horizont kann man die herannahende Bahn erkennen. Es wird nur noch eine Minute dauern und sie erreicht den Haltepunkt. Plötzlich setzen sich weite Teile der noch vor wenigen Augenblicken wie angewurzelt stehenden Menschenmenge in Bewegung. Es wird überholt und eingeholt, gedrängelt und leise geflucht. Die Leute laufen in Fahrtrichtung als wüssten Sie nicht, dass der Zug, welcher doch immerhin 200 Meter lang ist (genau 202,2m), auch ihren Wartebereich mit Türen versorgen wird. An der Stelle, an der ich vor wenigen Augenblicken noch in aller Ruhe und vor allem allein gestanden und gewartet habe, wimmelt es nun vor lauter Menschen die ein paar Augenblicke zuvor noch ganz woanders gewartet haben. Wie jeden Morgen frage ich mich, WARUM??? Warum stellen sich diese Idioten denn nicht gleich da auf wo sie nun hinrennen? Der Frankfurter Hauptbahnhof, die Drehscheibe des Bahnverkehrs, ist an Betriebsamkeit unübertroffen. Jedoch hier in Karben, einer kleinen Stadt in der Wetterau deren wohl bekanntester Sproß die ehemalige Lottofee Karin Tieze-Ludwig ist. Muss man denn da so früh am Morgen eine derartige Hektik verbreiten. Am Anfang dachte ich, es hat etwas mit dem Wetter zu tun. Denn selbst wenn es gerade nicht geregnet hat, konnte man nicht von gutem Wetter sprechen und es bestand, wenn auch nur theoretisch, die Möglichkeit, dass sich jeden Moment der Himmel auftut und die Wolken uns mit einer Morgendusche überraschen würden. Unter dieser Voraussetzung machte es für mich durchaus Sinn, sich in Nähe des Wartehäuschens zu postieren um im Ernstfall sofort Schutz zu finden. Doch dann bemerkte ich dieses seltsame Verhalten auch wenn allerhand Sterne zu sehen waren oder die Sonne schien. Ich konnte es einfach jeden Morgen wahrnehmen. Ich habe mir vorgenommen irgendwann einen von diesen Leuten anzusprechen und nach Sinn und Zweck dieser Übung zu fragen. "Hey Sie, ja Sie. Wieso tun Sie das? Können Sie nicht woanders einsteigen?" oder "Was rennen Sie denn so? Hält die heut nur in Groß-Karben?" (das wäre dann 3km weit weg) Wäre es möglich das sich diese Spinner davon überzeugen wollen, dass es die richtige Bahn ist in die sie steigen? Da die Bahn noch rollt und die relative Geschwindigkeit zueinander abnimmt, wenn man sich in dieselbe Richtung bewegt, würde das Lesen erleichtert werden? Vielleicht, und das wäre auch eine plausible Erklärung, liegt es ja auch an den Kollegen, Bekannten oder Freunden. Die Ignoranten können sich einfach nie merken, dass sie doch weiter hinten einsteigen sollten. Und so passiert es das sie im vorbeifahren bemerkt werden und man sich nun schleunigst auf den Weg machen muss, will man die halbe Stunde nach Frankfurt, abzüglich der Zeit, welche man für die tägliche Beschwerde über den Zustand der Bahn oder die dreiminütige Verspätung braucht, noch gemeinsam mit einem netten Gespräch verbringen. Ich zerbreche mir darüber wie gesagt schon eine halbe Ewigkeit den Kopf, bin aber noch zu keinem endgültigen Ergebnis gelangt. Vielleicht, und das ist auch sehr wahrscheinlich, sind das alles ehemalige Leichtathleten die beim morgendlichen Wettlauf "Mensch gegen Maschine" sehen wollen was sie noch drauf haben. Mir müssen die doch nichts beweisen...und schon gar nicht zum Montag Morgen.

ENDE


Da ich euch nicht jede Woche vor unlösbare Bilderrätsel stellen will, seid ihr diesmal aufgefordert mir eure Theorien zu diesem Merkwürdigen Verhalten zu schildern. Die Preise, welche erst später bekannt gegeben werden, werden dann vom Zentralkomitee für Blogrätsel unter den kreativsten Einsendungen verlost. Die Schwierigkeit besteht diesmal zum einen darin, dass man diesen Text bis zu Ende gelesen haben muss und zum anderen, dass dem Zentralkomitee nur meine zwei Persönlichkeiten angehören und im Gegensatz zu den vorangegangen Aufgaben, nur die für mich plausiblen Lösungen in den Ausscheid kommen. So dann gebt euch mal Mühe. Vielleicht habt ihr schon bemerkt, dass es sich diesmal um eine nicht technische Aufgabe handelt und somit auch die Philosophen wieder große Chancen haben.

Aufgrund der Schwere der Aufgabenstellung ist Einsendeschluss diesmal Samstag der 24.02.2007 um 15:43 Uhr.

Ach und das denke ich geht direkt an meine liebe Cousine, vielleicht kannst du mir irgendwann doch einmal einen Kurs im Komma setzen geben. Ich glaube zwar nicht, dass ich dies in meinem Alter noch zu Lernen vermag, aber ein Versuch wäre es doch wert.



Ach und zu guter Letzt (das sieht ja doof aus) ich möchte auch bald einen Preis für diese endlos langen Blogeinträge!!!!!

6 Kommentare:

  1. Lustig,

    1262 Wörter aus 6772 Zeichen (ohne Leerzeichen) und schon sinkt die Teilnehmerzahl signifikant.

    Ich muss zugeben, dass ich die Story nur überflogen habe. Die Lösung scheint mir aber klar.

    Die Beurteilung dieses Sachverhalts läßt nur einen Schluß,... eine Äußerung, zu. Diese klingt, gesprochen mit Deiner Stimme, wie Musik in meinen Ohren, wie Minimalrave. Sie lautet FRECHHEIT! Martin das ist einfach ne bodenlose Sinnlosigkeit, die sich gepaart mit einem Hauch Doofheit und Herdentrieb zu ner FRECHHEIT potenziert. In diesem Sinne. Aber das ist halt nun mal so. Nicht verzweifeln. ;-) Der ich.

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  2. also ich muss ja sagen wenn es diesmal auch keine technische frage ist, steht sie dieser im schwierigkeitsgrad keinesfalls nach! uebrigens moechte ich hier noch mal alle zum mitmachen bewegen, ich bin jetzt noch platt, dass ich gewonnen habe. ich habe noch nie so nen tollen preis gewonnen...im ernst!
    nun zu meiner theorie: wie auch du diesen einstieg waehlst, da er beim ausstieg sehr nahe an der rolltreppe liegt, so tun es auch viele anderen. warum sie sich nicht gleich von anfang an dort zum einsteigen positionieren liegt daran, dass wir menschen morgens aufgrund unser morgendlichen muffeligkeit eine groesst moegliche diskretionszone einhalten. macht doch sinn oder?
    2. option: deine unglaubliche anziehungskraft laesst alle um dich scharen :)
    fuer den kommentar ist doch bestimmt der erste preis drin...

    die unter den wilden zyprioten lebende!

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  3. Die Erklärung des Sachverhaltes kann mit drei Worten und einem Satzzeichen beschrieben werden:

    Menschen sind doof!

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  4. das ist ganz einfach wie bei den zugvögeln mit deinem zug und hat eine ganze menge mit dem paarungsverhalten zu tun. hast du dich schon mal gefragt, warum du nicht in der der s-bahn jeden morgen von attraktiven frankfurterinnen umringt wirst? ganz sicher, weil du an deinem fleck stehen bleibst. aber du bist ja auch neu im westen. deswegen fangen die an zu rennen. wissenschaftlich erwiesen.

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  5. Nun ja, meine Erklärung für dein Problem lieber Pedro, kam mir gestern unter 39° Fieber. Es ist einfacher als du dachtest, in Wirklichkeit, laufen die Leute nicht plötzlich alle los und du verharrst nicht am gleichen Platz... in der harten Realität ist es so, dass wohl alle anderen stehen wie und so sie immer stehen und eigentlich DU der jenige bist, der so bald die Bahn einrollt anfängt rückwärtszulaufen.Da spielt die deine sinneswahrnehmung einen üblen Streich.. aber das ist garnicht schlimm, denn wenn du die ganze Zeit rückwärtsrennst, dabei alle leute bedrängst und dann trotzdem bei Stillstnad der Bahn ordnungsgemäß am Bahnsteig stehtst, kann ich mir gut vorstellen wo du zu Beginn stehst.. (mitten auf den Gleisen, anders wär ja dein Rückwertstorkeln nicht möglich). Falls du dich jetz noch fragst, wie so was zu stande kommen kann... Also entweder du hast auch jeden morgen Fieber, tja oder deine all morgentliche Zigarette ist in Wirklichkeit ein übler Joint und dass dieser ja verschobene Vorstellung hervorrufen kann.. dürfte hier ja alle bekannt sein.
    Also würd ich mir überlegen die Leute am frühen morgen zu bepöpeln.. da du mit deinem Verhalten wahrscheinlich den Leuten aus Okarben noch viel mehr Rätzel aufgibst, und diese sich vermutlich auch shcon seit Monaten fragen: WARUM??? Warum stellen sich dieser Idioten denn nicht gleich da auf wo er nun hinrennen?

    In diesem Sinne, Grüße aus dem Wald.

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  6. und da ich mich trotz meiner Krankheit hier aus dem Bett bewege... dürfte ich ja wohl trotz meiner zahlreichen grammatikalischen Fehlern, aber innhaltlicher Korrektheit, wohl mir ein Platz an der Sonne gesichert haben ....

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